Bildungswerk Aachen

Weiterbildung Kinderpsychodrama

Ein Kind macht die ernsthaftesten Sachen, indem es spielt!“
- Rousseau in Emilie -

Die Sprache der Kinder ist das Spiel; nicht in Gesprächen, sondern mit Handlungen versuchen Kinder die Welt zu begreifen. Die spielerische Möglichkeit des „so tun, als ob“ eröffnet im wahrsten Sinne des Wortes neue Spielräume, in denen Kinder sich als Neuschöpfer erleben und die Welt in ihre Ordnung bringen können.

Die beeindruckende Kreativität von Kindern, in einer leidvollen Situation im Symbolspiel das Lustvolle herauszuholen und sich als aktiv gestaltendes, schöpferisches Wesen zu erleben, faszinierte Moreno, als er vor dem 1. Weltkrieg als junger Mediziner auf seinen Spaziergängen in den öffentlichen Gärten Wiens Kinder beobachte und mit ihnen spielte.

Obwohl Moreno wesentliche Anregungen für die Entwicklung des Psychodramas aus dem kindlichen Spiel gewonnen und in seiner frühen Schaffensperiode mit Kindern gearbeitet hat, entwickelte er das Psychodrama als Therapieverfahren nur für Erwachsene. Da aber Kindern eine spezifische Darstellungs- und Verarbeitungsweise haben und deshalb auch eine eigene Methode benötigen, haben Alfons Aichinger und Walter Holl das Psychodrama für Kinder abgewandelt.

Diese fünf wesentlichen Haltungen und Methoden im Kinderpsychodrama haben Alfons Aichinger und Walter Holl in über 40 Jahren erprobt und für diese Weiterbildung entwickelt:

  1. Im Unterschied zu Erwachsenen reinszenieren und bearbeiten Kinder ihre Konfliktsituationen, ohne sich mit dem in den Szenen verbundenen Gefühlen wie Ohnmacht und Trauer erneut auseinanderzusetzen. Im Symbolspiel, dem »Königsweg« der Kinder und zu den Kindern, stellen sie ihre innere Wirklichkeit dar, eignen sie sich an und gestalten sie um. Daher wird in der Weiterbildung das Verständnis für die Symbolspiele gefördert.
  2. Nimmt man diese ureigene Sprache der Kinder ernst, ist auch eine andere Form der Leitung verlangt. Im Unterschied zur Erwachsenentherapie spielen in der Kindertherapie die Therapeut*innen mit, wobei sie sich die Rollen von den Kindern übertragen lassen und aus therapeutischen Überlegungen heraus auch andere Rollen einnehmen. Neben strukturierenden Interventionen aus der Leiter*innenebene werden die Psychodrama-Techniken der Erwachsenentherapie abgewandelt in den Rollen, die die Therapeut*innenn im Symbolspiel einnehmen, getätigt. Daher wird in der Weiterbildung geübt, wie über das Mitspielen der Therapeut*innen therapeutische Prozesse unterstützt und über störungsübergreifende und störungsspezifische Interventionen die Weiterentwicklung gefördert werden kann.
  3. Die kindliche Entwicklung und Sozialisation findet zu einem großen Teil in der Gruppe der Gleichaltrigen statt. In unserer modernen Welt mit Kleinfamilie, Urbanisierung und einer immer mehr ausufernden Medienkultur nehmen die Möglichkeiten zu Begegnungen zwischen Kindern und zur Bildung von Kindergruppen ab bzw. werden organisiert und professionalisiert. Obwohl die Gruppe der Gleichaltrigen für die Entwicklung des Kindes von großer Bedeutung ist, werden die heilenden und prophylaktischen Kräfte der Gruppe in der therapeutischen Arbeit mit Kindern immer noch wenig genutzt. In der psychodramatischen Gruppentherapie entsteht im gemeinsamen symbolischen Rollenspiel ein Handlungsfeld, in dem sich die Selbstorganisation der Kinder(-gruppe) entfalten kann. Im kooperativen Prozess des gemeinsam entworfenen und inszenierten Spiels wird Sozialverhalten untereinander ausgehandelt, werden Konflikte symbolisch bearbeitet, Handlungskonsequenzen erlebt, spontane Impulse erprobt und gemeinsam kreative Lösungen entwickelt. Die Vermittlung einer systematischen und psychodramatischen Methode der Gruppentherapie mit Kindern ist neben der Einzeltherapie ein Schwerpunkt der Weiterbildung.
  4. Um dem Kind und der Familie in ihrer Vielschichtigkeit gerechter zu werden, entwickelte Alfons Aichinger das Konzept der Teilearbeit. Moreno ging schon in den 30er Jahren von einem pluralistischen Selbstkonzept aus, wonach das Selbst eine Vielzahl unterschiedlicher und zum Teil widersprüchlicher und sich bekämpfender Anteile enthält. In der Teilearbeit werden mit Tierfiguren und dem Symbolspiel Symptome, Bedürfnisse und Probleme von Kindern als innere Anteile dargestellt und die Kinder bei klärenden und versöhnlichen Prozessen begleitet. Der psychodramatische Teilearbeit-Ansatz in der Einzeltherapie, in der Familientherapie und in der Arbeit mit Kindern in der Trennungs- und Scheidungssituation wird in der Weiterbildung vermittelt.
  5. Für Moreno sind psychische Störungen in erster Linie Beziehungsstörungen und immer im Umweltkontext zu sehen. Deshalb muss die Therapie mit Kindern multi-systemisch und kontextorientiert sein. In der Weiterbildung wird die psychodramatische Familienspieltherapie und Teilearbeit mit Familien vermittelt.

 

Ziele:
Die Teilnehmer*innen in der Weiterbildung lernen folgende Kinder und Eltern spielend zu behandeln:

 

  • Ängstliche Kinder und deren Eltern
  • Aggressive Kinder und deren Eltern
  • Traumatisierte Kinder und deren Eltern
  • Kinder aus Trennungs- und Scheidungsfamilien
  • Kinder aus Familien mit psychisch oder suchtkranken Eltern

Das diagnostische Erstinterview mit dem Kind ermöglicht durch den Gebrauch von Tierfiguren Grundkonflikte zu externalisieren und den Kindern verständlich zu machen, welche im Therapieverlauf durch die Teilearbeit behandelbar werden.

Des Weiteren wird das pädagogische Psychodrama mit Schulklassen vermittelt und einen Einblick in die Gruppentherapie mit Jugendlichen ermöglicht.

 

Adressat*innen/Zielgruppe:
Dieses Curriculum richtet sich an Fachkräfte, die pädagogisch oder therapeutisch im Gruppen- und im Einzelsetting mit Kindern arbeiten:

  • Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut*innen
  • Heil-, Sozial- und Sonderpädagog*innen
  • Erzieher*innen
  • Logopäd*innen
  • Lehrer*innen
  • Ärzt*innen
  • Psycholog*innen

Das „Kinderpsychodrama“ bietet Fachkräften eine intensive und grundlegende Fortbildung. Gleichzeitig – und wenn vom Teilnehmenden gewünscht – stellt dieser einen zentraler Baustein in der Weiterbildung zur Psychodrama-Kindertherapeut*in dar.


Hinweis zur Qualifikation "Psychodrama-Kindertherapeut*in":
Das „Kinderpsychodrama“ ist als selbständige Weiterbildungsreihe konzipiert. Es ist zugleich integraler Bestandteil der Weiterbildung „Psychodrama-Kindertherapie“. Dafür ist neben dem Besuch der drei Module der Weiterbildungsreihe „Kinderpsychodrama“ die zweijährige Grundstufe der Weiterbildung „Psychodramaleitung / -therapie“ zu absolvieren. Dazu kommt die eigene Anwendung des therapeutischen Psychodramas mit Kindergruppen unter Supervision (15 Stunden Einzelsupervision mit Protokollen und 8 Tage Gruppensupervision) sowie eine schriftliche Abschlussarbeit mit Abschluss-Kolloquium, welche sich schwerpunktmäßig mit der Anwendung des Psychodrama mit Kindern auseinandersetzt. Weiteres zur Weiterbildung „Psychodramaleitung / -therapie“ ist dem Jahresprogramm des Szenen Institutes zu entnehmen.

Die Teilnehmer erhalten am Ende der Fortbildung das Zertifikat „Kinderpsychodramatherapeut:in“, in dem die Lernziele, -inhalte und -formen detailliert beschrieben werden.

Die Weiterbildungsreihe „Psychodrama mit Kindern“ ist modular aufgebaut und wird jeweils für ein Modul (6 Wochenendseminare) gebucht. Insgesamt erstreckt sich die Weiterbildung über einen Zeitraum von 3 Jahren und umfasst 36 Seminartage an 18 Wochenenden. Die Weiterbildung findet freitagnachmittags und samstags statt.

 

Die Themen der Weiterbildungsreihe sind:

Modul I

  1. Das Spiel der Kinder verstehen (Mentalisierung)
  2. Teilearbeit im diagnostischem Erstinterview
  3. Förderung der Selbstwirksamkeit
  4. Stärkung des Selbstwerts
  5. Förderung der Beziehungsfähigkeit
  6. Teilearbeit bei Trennung / Scheidung

 

Modul II

  1. Anfangsphase und Gruppendynamik
  2. Teilearbeit mit Kindern mit Tierfiguren
  3. Angst
  4. Aggression und Kinderschutz
  5. Familienspieltherapie
  6. Gruppen- und Einzeltherapie mit Jugendlichen

 

Modul III

  1. Resilienzförderung in Kitas und Schulen
  2. Teilearbeit mit Kindern über Rollenspiel
  3. Trauma Stabilisierung Programm für Kinder und Eltern – EBTS
  4. Traumafolgestörungen und die Täterintrojektion
  5. Umgang mit schwierigen Themen in der Gruppe (Agieren, sexuelle Themen …)
  6. Teilearbeit mit Familien mit Tierfiguren

Die Teilnehmenden melden sich für jeweils ein Modul an und entscheiden danach, ob sie weitere Module buchen möchten. Es ist nicht notwendig, mit dem Modul I zu starten – ein Quereinstieg in die Module ist möglich. Es ist ebenso möglich, nur ein Modul zu besuchen, um so Grundkenntnisse in der Arbeit mit dem Kinderpsychodrama zu erlangen.

 

In Kooperation mit: Szenen-Institut,  www.szenen-institut.de

 

Referent/Referentin: